Alle reden von der Frauenquote – Schwielowsee hat sie – zu 100 Prozent
Dass der Frauenanteil in öffentlichen Verwaltungen hoch ist, das ist nichts besonderes. Aber dass die gesamte Führungsriege weiblich ist, das ist einmalig. Laut eines Berichts des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom Januar 2018 beträgt die Quote an Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst 35 Prozent. Und Schwielowsee hat 100 Prozent: „Das ist einzigartig, das hat keiner weiter“ – so die Bürgermeisterin.
Grund genug, um sich mit der Bürgermeisterin Kerstin Hoppe und ihren drei Fachbereichsleiterinnen, Ute Lietz, Kerstin Murin und Simone Wietek-Barthel zu einem Gespräch zu treffen. Mich interessiert, wie ein rein weibliches Führungsquartett „tickt“,was anders ist als in einer gemischten Führungsspitze.
Als erste antwortet Frau Lietz, die „Finanzfrau“. Die gebürtige Thüringerin feiert dieses Jahr ihr 30jähriges Dienstjubiläum. Sie ist in ihrem Fachbereich verantwortlich für Finanzen, Buchhaltung, Kasse, Steuern, Vollstreckungen, aber auch für das Gebäudemanagement. Sie ist sich sicher, dass Frauen sensibler sind, mit Themen feinfühliger umgehen und mehr hinterfragen als Männer. „Aber wir Frauen sind auch zickig. Wir streiten und beharren manchmal länger als nötig auf unserer Meinung.“ „Männer würden nie sagen, dass sie zickig sind, wenn sie untereinander diskutieren!“ wirft Frau Hoppe ein, „Die typische Männerwelt bezeichnet uns Frauen als Zicken. Ja, wir streiten uns manchmal richtig, auf Teufel komm raus, aber wir sind nicht zickig, man betitelt uns so.“ „Doch wir sind zickig“ mischt sich Frau Murin, die „Baufrau“ ein. Seit 1990 ist die Urcaputherin für den Bereich Bauen, Ordnung und Sicherheit zuständig. „Wir streiten, wir sind nicht einer Meinung. Doch wir diskutieren so lange, bis wir eine Lösung finden.“ Zickig heißt sich streiten? Frau Wietek-Barthel nickt: „Wir Frauen verteidigen manchmal zu lange unsere Meinung und merken erst hinterher, dass das falsch war. Doch dann können wir auch wieder einlenken.“ Frau Wietek-Barthels Fachbereich „Zentrale Steuerung“ umfasst alle Aufgaben, die mit Personal zu tun haben, die Kitas, die Tagespflege, die Jugendarbeit, das Einwohnermeldeamt fallen in ihr Ressort, aber auch all das Organisatorische wie Post, Sitzungen vorbereiten, das Archiv.
Alle vier Chefinnen sind sich einig, dass ihre emotional geführten Streitgespräche immer zielorientiert sind und dass sie selten auseinander gehen, ohne eine gemeinsame Lösung gefunden zu haben, hinter der sie alle stehen. Das zeichnet sie aus.
Warum werden Frauen eigentlich so gerne Zicken genannt? Zickig steht im Duden für überspannt, launisch, eigensinnig und betrifft – laut Duden! – vorwiegend Frauen. „Wenn Frauen zickig sind, sind sie im Land der Gefühle. Das Land der Logik wird in diesem Augenblick verlassen. Der Zug ist dann erstmal abgefahren. Doch das kann sich im nächsten Moment schon wieder ändern!“ so ein Artikel in der Huffingtonpost.
Das Frauenquartett in Schwielowsee nutzt all diese „Zuschreibungen“, von denen es im Internet reichlich gibt, positiv für sich: Sie sind gerne emotional, weil sie für das, was sie tun, brennen. Bei Einigkeit für Lösungen, für Beschlüsse kämpfen „alle bis auf Messers Schneide!“. Dann fällt keine der anderen in den Rücken. Das wissen sie, darauf sind sie stolz.
Alle sind sich sicher, dass emotionale Frauen mitfühlender sind als Männer. Sie haben im Gespräch mit Mitarbeitern und Bürgern eher ein offenes Ohr für das Gegenüber und möchten so beraten, dass sich das Gegenüber aufgehoben fühlt. Deshalb bevorzugen sie das persönliche Gespräch. „Am Telefon kann man vieles schneller klären. Es macht Sinn, einmal mehr zu fragen, die Sprechzeit zu nutzen oder anzurufen, bevor es Probleme gibt!“
Auf die Frage, was Männer anders machen, sprudeln die Antworten: „Männer gehen rationaler an Probleme heran, sie haben eine andere Denke. Sie können besser abschalten, nehmen Probleme nicht mit in den Schlaf. Sie sitzen in einer Diskussionsrunde und lassen die Worte einfach an sich abperlen. Wir Frauen hören zu, arbeiten mit mehr Herzblut, emotionaler als Männer, wir brennen für die Gemeinde. So würde das kein Mann tun.“
Alle Frauen dieses Führungsquartetts lieben ihre Region, haben den längsten Teil ihres Lebens hier verbracht, haben viel Erfahrung. Sie kennen die Stärken und Schwächen voneinander, Vertrauen ist gewachsen. Das Kleeblatt ist stolz auf seine emotionale, vielleicht typisch weibliche Streitkultur und die Art, Lösungswege zu entwickeln.
Dem gegenüber stehen allerdings Forschungsergebnisse, die besagen, dass vor allem Vielfalt – in Geschlecht, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung und Identität – produktiver ist. Ob das auch für Schwielowsee zutrifft?
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